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Sonstige freie Rücklagen
Neben der Anhebung der Grenze für Rücklagen aus Überschüssen der Vermögensverwaltung wird durch das Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung von Stiftungen eine weitere neue Rücklagenmöglichkeit geschaffen, die es ermöglicht, dass die gemeinnützige Körperschaft „...darüber hinaus höchstens 10 vom Hundert ihrer sonstigen nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 zeitnah zu verwendenden Mittel einer freien Rücklage zuführt“. Während die Erhöhung der Grenze für die freie Rücklage auf ein Drittel schon im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen enthalten und politisch unumstritten war, hat die neue 10-v.H.-Grenze erst im Vermittlungsausschuss Eingang in das Gesetz gefunden. Offenbar wollte man einen Ausgleich für solche Körperschaften schaffen, die über keine nennenswerten Einkünfte aus Vermögensverwaltung verfügen und daher von der neuen Drittel-Grenze nicht profitieren.

Fraglich ist, welche Bemessungsgrundlage bei der Bildung der 10-v.H.-Rücklage anzuwenden ist. So könnte gerade der in § 55 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 AO verwendete Begriff „Zufluss“ nahe legen, Mittel seien alle Einnahmen eines Kalender- oder Wirtschaftsjahres. Bezogen auf einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb oder einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb würde dies bedeuten, dass zukünftig ohne Rücksicht auf die Höhe der entsprechenden Betriebsausgaben bis zu 10 v.H. der (Brutto-)Einnahmen in eine freie Rücklage eingestellt werden können. Eine solche Auslegung würde aber nicht nur die Verpflichtung zur zeitnahen Mittelverwendung weitgehend obsolet machen, sondern widerspricht auch dem praktischen Sinn einer Rücklagenbildung. Rücklagen können nur gebildet werden, wenn zuvor auch ein Überschuss erzielt worden ist. Folglich muss der Begriff der „Mittel“ im Rahmen von § 58 Nr. 7 a AO als „Nettogröße“ verstanden werden. Dies entspricht auch der Sonderregelung für Rücklagen aus Vermögensverwaltung, die ebenfalls am Begriff des „Überschusses“ anknüpft. Auch die Formulierung „... darüber hinaus höchstens 10 vom Hundert ihrer sonstigen ... zeitnah zu verwendenden Mittel“ zeigt, dass der Gesetzgeber nur die Nettogröße „Überschuss“ als Mittel i. S. v. § 58 Nr. 7 a AO verstanden wissen will (Hüttemann DB 2000, 1584, 1585 f.). Eine solche „Nettobetrachtung“ gilt aber nicht nur für die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe und Zweckbetriebe, sondern ist auch im sog. ideellen Bereich der Körperschaft geboten. Für die Rücklagenbildung kann nicht einfach auf die Bruttoeinnahmen aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen oder Zuschüssen eines Jahres abgestellt werden, sondern es bedarf auch insoweit der Berücksichtigung der laufenden satzungsmäßigen Ausgaben. Nur so wird verhindert, dass solche Beträge in eine Rücklage eingestellt werden, die längst zur Finanzierung von Zweckverwirklichungsmaßnahmen und der Verwaltung verwendet worden sind und deshalb nicht mehr verfügbar sind. Besonders deutlich wird dies etwa bei Spenden sammelnden Organisationen. Würde man hier nur auf die Spendeneinnahmen abstellen, ohne die – möglicherweise erheblichen – Ausgaben für die Spendenwerbung und ohne den sonstigen Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen, könnte u.U. der überwiegende Teil des Jahresergebnisses in eine Rücklage eingestellt werden.

Je nach Mittelzusammensetzung und Auslegung des Begriffs „Mittel“ kann die gemeinnützige Körperschaft damit erhebliche freie Rücklagen bilden. Beträgt bspw. die Wertsteigerung im Ausstattungskapital 10, der Überschuss aus Vermögensverwaltung 30 und die Mitgliedsbeiträge und Spenden 60, so müsste aufgrund einer denkbaren Auslegung nach Bildung der Rücklage nach § 58 Nr. 7 a AO von Gesamterträgen von 100 ein Anteil von 74 zeitnah verwendet werden. Angespart werden kann die Wertsteigerung von 10, 1/3 von 30 sowie 1/10 von 60, also insgesamt 26. Denkbar wäre aber auch die Interpretation, dass ein Gesamtgewinn unter Berücksichtigung der realisierten Wertsteigerungen und unter Abzug von Verwaltungsaufwendungen und lfd. Mittelverwendungen von hier unterstellt 30 als Bemessungsgrundlage genommen wird. Dann könnten 1/3 von 30 sowie 10 v. H. von 10 + 60 ./. 30 = 4, somit als freie Rücklage 14, und als Wertsteigerung 10, insgesamt 24, in die nicht zeitnahe zu verwendenden Mittel eingestellt werden.

Im Ganzen ist deshalb davon auszugeben, dass sich die 10-v.H.-Rücklage nach § 58 Nr. 7 a AO auf den Jahresüberschuss der Körperschaft – ausgenommen die Überschüsse einer Vermögensverwaltung – bezieht. Auf Grund der unterschiedlichen Prozentgrenzen für die Rücklagenbildung müssen die Überschüsse aus einer Vermögensverwaltung gesondert erfasst und aus der Bemessungsgrundlage für die 10-v.H.-Rücklage herausgerechnet werden. Die nicht in eine Rücklage eingestellten Überschüsse aus Vermögensverwaltung dürfen also keinesfalls noch einmal in Höhe weiterer 10 v. H. in eine Rücklage eingestellt werden, sondern die Rücklagenbildung kann – bezogen auf die Gesamtmittel der Körperschaft – immer nur höchstens ein Drittel betragen. Allerdings wird man dann auf eine gesonderte Erfassung der Überschüsse aus Vermögensverwaltung verzichten können, wenn die Körperschaft ohnehin nur bis zu 10 v. H. in die Rücklage einstellen will.

Durch die neue 10-v.H.-Rücklage werden schließlich auch sog. „Endowments“ erleichtert, d.h. die Weiterleitung zeitnah zu verwendender Mittel als Ausstattungskapital an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft. Vereinzelt war hierzu eine Sonderregelung vorgeschlagen worden. Der Bedarf für eine solche Ausnahmevorschrift ist mit der Neuregelung des § 58 Nr. 7 a AO weitgehend entfallen, da die in einer freien Rücklage gesammelten Beträge jederzeit auch gemäß § 58 Nr. 2 AO an eine andere gemeinnützige Körperschaft als „Vermögen“ weitergeleitet werden können. Möglicherweise lag auch hierin ein weiterer Grund für die Einführung der neuen 10-v.H.-Rücklage. (Siehe auch Rücklagen und Ausnahmen von der zeitnahen gemeinnützigen Mittelverwendung).




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