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Zweckgebundene Rücklagen, § 58 Nr. 6 AO
Die wichtigste Vorschrift zur Rücklagenbildung ist § 58 Nr. 6 AO, der eine „projektbezogene“ Rücklage ohne Begrenzung der Höhe nach erlaubt. Die Körperschaft darf also Rücklagen zur Finanzierung eines bestimmten konkreten zukünftigen Vorhabens bilden, soweit dieses Vorhaben hinreichend konkretisiert und in absehbarer Zeit – unschädlich sind jedenfalls Zeiträume bis zu zehn Jahren – auch verwirklicht werden kann.

Ändert die gemeinnützige Körperschaft ihre Zukunftsplanung, d.h., wird ein Vorhaben aufgegeben, muss eine entsprechende Rücklage aufgelöst werden oder für einen neuen Zweck zurückgehalten werden.

Kein ausreichender Grund für die Bildung einer Rücklage ist die allgemeine Erhaltung der Vermögenssubstanz eines Vereins oder einer Stiftung. Auch wenn das Nominalwertprinzip als Grundlage der Substanzerhaltung und die Inflation die Leistungsfähigkeit von gemeinnützigen Körperschaften gefährden können, hat der Gesetzgeber sich stets gegen eine solche Erweiterung des § 58 Nr. 6 AO gewehrt. Zum Ausgleich hierfür wurde die sog. freie Rücklage nach § 58 Nr. 7 AO eingeführt.

In Verbindung mit dem Problem der Inflation stellt sich auch die Frage, ob die jeweils in die Rücklage einzustellenden Beträge abzuzinsen sind, d.h. ob die Rücklagenbildung durch das Barwertprinzip in der Höhe zu beschränken ist. Angehörige der Finanzverwaltung schlagen einen Diskontsatz von 5,5 v. H. analog zu § 12 Abs. 3 BewG vor, jedoch wird in der Praxis der Finanzverwaltung derzeit keine Abzinsung verlangt. Ein Ansatz zum Nominalwert berücksichtigt, dass die möglichen zusätzlichen Erträge, die mit den in die Rücklage eingestellten Mitteln bis zur Verwirklichung des Projektes erwirtschaftet werden können, voraussichtlich wegen der allgemeinen Preissteigerung bis zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Projektes benötigt werden, so dass eine Abzinsung auf den Zeitpunkt der Rücklagenbildung nicht notwendig erscheint.

Im Rahmen von § 58 Nr. 6 AO ist auch die Bildung einer sog. Betriebsmittelrücklage zulässig: „Die Bildung von Rücklagen für periodisch wiederkehrende Ausgaben (Löhne, Gehälter, Mieten) in Höhe des Mittelbedarfs für eine angemessene Zeitperiode ist zulässig (Betriebsmittelrücklage)“. Fraglich ist dabei, was eine angemessene Zeitperiode sein soll. Hier sind die Umstände des Einzelfalles entscheidend, insbesondere die Stetigkeit der Einnahmen, aus denen die periodisch wiederkehrenden Ausgaben gedeckt werden sollen.

Die Finanzverwaltung lässt die Betriebsmittelrücklage für einen Mittelbedarf der bei der Körperschaft lfd. wiederkehrenden Ausgaben von einem Monat bis zur zwölf Monaten zu. Soweit die gemeinnützige Körperschaft ihre Ausgaben aus stetig wiederkehrenden Erträgen aus der Vermögensverwaltung finanzieren kann, ist die Bildung der Betriebsmittelrücklage nicht zulässig. Dasselbe gilt, sofern Mitgliedsbeiträge bezogen werden, deren Zahlung die Mitglieder erst nach Ablauf einer gewissen Kündigungsfrist einstellen können. Bei sicheren Einnahmen, bspw. durch staatl. Zuschüsse oder von öffentlichen Kostenträgern, kann nur der Mittelbedarf eines Monats zurückgelegt werden. Die nach § 58 Nr. 7 a AO gebildete Rücklage wird auf die Betriebsmittelrücklage angerechnet, weil daraus bereits Mittel für die Überwindung von Krisensituationen zur Verfügung stehen.

Auch sog. Spendensammelvereine können eine Rücklage nach § 58 Nr. 6 AO bilden. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Mittelbeschaffungskörperschaft wegen Verzögerung in Bezug auf die Umsetzung der von ihr zu finanzierenden steuerbegünstigten Maßnahmen gezwungen ist, die beschafften Mittel zunächst selbst zu thesaurieren (AEAO Ziff. 10 zu § 58 Nr. 6 AO).

In jedem Fall trägt eine gemeinnützige Körperschaft, die ihre Mittel in der Weise für gemeinnützige Zwecke verwendet, dass sie eine Rücklage nach § 58 Nr. 6 AO bildet, die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Rücklagenbildung (BFH vom 20.12.1978, BStBl 1979 II, 496). Es muss ein entsprechender Beschluss des zuständigen Organs vorlegt werden können, und das geplante Projekt sowie die dafür benötigten Mittel müssen im einzelnen dargelegt werden können. Da dieser Nachweis vielfach nicht allein durch einen entsprechenden Bilanzausweis geführt werden kann, sind meist weitere Nachweise erforderlich, aus denen sich die notwendigen Voraussetzungen ergeben, z.B. Planungsrechnungen oder Erkundigungen über den Finanzbedarf des geplanten Vorhabens und die exakte Beschreibung des Vorhabens.

Von der Bildung projektbezogener Rücklagen nach § 58 Nr. 6 AO sind solche Sachverhalte zu unterscheiden, bei denen die Voraussetzungen für die Bildung einer Verbindlichkeit bzw. Rückstellung vorliegen. In diesem Fall tritt bereits auf Grund der Verbindlichkeit bzw. Rückstellung eine Verminderung der zeitnah zu verwendenden Mittel ein. Soweit die Körperschaft eine echte Drittverbindlichkeit eingegangen ist, d.h. also Ansprüche eines Dritten bestehen, muss die Körperschaft Mittel in Höhe des Nominalbetrags zur Erfüllung der Verbindlichkeit vorhalten. Insoweit besteht eine Bindung von Mitteln. Ist dagegen die Entscheidung der rechtlichen Verpflichtung noch ungewiss oder ist eine echte Verbindlichkeit nur der Höhe nach ungewiss, ist eine Rückstellung zu bilden. Diese mindert ebenfalls die Mittel der Körperschaft. Handelt es sich dagegen um eine bloße „Selbstverpflichtung“ der Körperschaft durch nicht rechtsverbindliche Zusagen, so bleibt es bei einer Rücklagenbildung nach § 58 Nr. 6 AO.

(Vgl. auch Steuerlich unschädliche Betätigungen, Rücklagen und Vermögensbildung).



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